Schenkkreise: Herzkreis Treffen in Hamburg

12.03.2003

Beatrice Schnelle, Email: wortart (at) beatrice-schnelle.de, war bei einem Herzkreis Treffen in Hamburg, bei dem eine professionelle Leiterin den Schenkkreis erklärte. Sie schildert ihre Erlebnisse in einer Email:

Ich ging gestern mit einer Bekannten zu solch einem Zirkel in Hamburg, wohlwissend, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen konnte, und bin seither sehr wütend und aufgewühlt. Diese Leute arbeiten mit der Gutgläubigkeit - eben dem "Herzen" (Herzkreis) von Frauen - und natürlich mit der offenbar verbreiteten weiblichen Rechenschwäche. Letzteres finde ich allerdings nicht das Schlimmste. Die Perfidität, mit der das ganze als gute Tat, Energiekreis und Vertrauensbildung verkauft wird, ist erschütternd. Die Leiterin schien mir durchaus professionell geschult worden zu sein. Die Tatsache, dass lediglich sie und ihre Tochter zu den bisher im betreffenden Kreis nachweislich "Beschenkten" gehören, machte die anderen Frauen nicht mißtrauisch, sondern erregte vielmehr ihre Bewunderung und schürte ihren Glauben. Allein die schweigende Teilnahme hat mich einen Haufen Energie gekostet - ich kann mich gerade nur schwer wieder beruhigen. Während der Sitzung hatte ich das unbestimmte Gefühl einer Hirnlähmung. Als die Leiterin bei dem Stichwort "Schneeballsystem" den Zettel mit der Pyramide, auf dem acht Herzen in der ersten, vier in der zweiten, zwei in der dritten und eins in der vierten Reihe steht, einfach umdrehte, und sagte: "So wäre es ein Schneeballsystem, aber bei uns ist es genau umgedreht und also was ganz anderes", blieb mir förmlich die Luft weg vor dieser Beleidigung jeder Intelligenz. Da hatte jemand vor meinen Augen die Tatsachen nicht nur psychisch sondern sogar physisch einfach umgedreht. ("Faszinierend", hätte Spock gesagt) Ich habe mich aber entschieden, den Mund zu halten. Gegen 15 anwesende, leuchtend glückliche Frauen (und eine Professionelle) zu argumentieren - die Kraft traute ich mir einfach nicht zu. Leider war ich nicht vorbereitet. Ich hätte mal vorher googeln sollen, da ich ja wusste, was mich erwartet. Üblicherweise werden Neue aber nicht über das Geschehen im Kreis informiert, bevor sie das erstemal teilnehmen. Die Leiterin bat ausdrücklich darum, neue Teilnehmerinnen unbedingt nicht vor ihrem ersten Besuch im Kreis einzuweihen. Natürlich hat sie damit Recht: Das würde die professionelle Gehirnwäsche in vielen Fällen stark behindern.

Ihrem Artikel könnte man noch hinzuzufügen: Bei der Pyramidenmethode kann das Ergebnis durch die Teilung ohne weiteres im Sinne der Initiatorin manipuliert werden. Sie hat natürlich die meisten Frauen geworben und wird einen Teufel tun, ihre Beute - und die Beute ihrer Beute - mit solchen Frauen zu teilen, die keine Mitbezahlerinnen anschleppen.

Weiter wurde in dem Hamburger Kreis ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "Männer selten Zugang zu sowas haben" und mit unsinnigen Rechnungen dagegen argumentieren würden. Alle Frauen nickten dazu im Chor. Ich fürchte, allein die Unterschrift "Moritz" wird für einige Frauen die glasklaren vorausgegangenen Argumente, Überlegungen und Rechnungen entwerten. Nach Ihrer männlichen Unterschrift könnten diese Mädels vielleicht in einem entsprechenden kleinen PS auf diese psychologische Verstrickung hingewiesen werden. Hier wird schonungslos ein plakatives Denkschema benutzt und manifestiert, das da heisst: Männer verstehen Frauen sowieso nicht.

Vielleicht sollten Sie die mathematische Formel (Für Mathefans: TeilnehmendePersonen = 16 mal (2 hoch AnzahlDerRunden)) noch mit einer beispielhaften Zahl füllen - zusätzlich. Dafür wäre ich sehr dankbar. Frauen können nämlich wirklich oft nicht rechnen. Woran das liegt, will ich hier nicht weiter ausführen ­ da ich es selbst nicht kann..:-))) Ich habe die Sache (bevor ich Ihre Seite fand) einfach durchnummeriert - allerdings wird dies durch die ständige Teilung der Pyramide rasch sehr unübersichtlich und man gibt auf. Letztlich ist das ja der Trick dabei. Aber auch so müsste einem schnell klar werden, dass die Zahl der Schenker und der Beschenkten in einem irrationalen Verhältnis steht.

Ich hoffe, dass ich meine Bekannte, die mich in den Kreis mitgenommen hat, bewegen kann, ihre 5200 Euro wieder zu schnappen (noch kann sie es) und aus der Geschichte auszusteigen.

Weiter: Bericht einer versuchten Anwerbung


Letzte Änderung dieser Seite: 21.05.2003 © 2002-2003 Moritz Both. Alle Rechte vorbehalten. Für namentlich gekennzeichnete Beiträge liegt das Urheberrecht bei den jeweiligen AutorInnen. - Kontakt & Impressum