19.04.2015

Die Wasserstadt Limmer sollte lebendig werden

Zur Abschlussveranstaltung der ersten Phase der Bürgerbeteiligung am 14.04.2015 im Freizeitheim Linden hatte ich endlich mal Zeit und Muße, um hin zu gehen. Die Themenwerkstätten und den inhaltlichen Prozess davor habe ich leider verpasst. Dabei bin ich Anwohner: Wir leben seit 2007 in Limmer in der Tegtmeyerstraße, 200m von der geplanten Wasserstadt entfernt.

Bei Verlassen der Veranstaltung hatte ich einen ungewohnten Eindruck, nämlich: Bin ich froh, dass es mit der Stadtverwaltung Leute gibt, die das große Ganze im Blick haben und nicht jeden Unsinn, der bei der Bürgerbeteiligung herauskam, übernehmen.

Dabei geht die Stadt schon auf ziemlich viel ein. Tatsächlich gibt es für mich keinen Grund, anzunehmen, dass dort andere Ziele verfolgt werden als die, die von Seiten der Bürgerbeteiligung kommen. Ganz komprimiert zusammengefasst: Es soll ein lebendiges Quartier werden, vielfältig, mit verschiedenartigen Möglichkeiten und Wohnformen, hochwertige Wohnungen sollen Infrastruktur und guten öffentlichen Raum quer finanzieren, es soll geförderten Wohnungsbau geben, von der Wasserstadt soll ganz Limmer profitieren, usw. usw.

Sicher, als unser Stadtbaurat Uwe Bodemann die 102 aus der Bürgerbeteiligung entstandenen Wünsche durchging und die ansprach, denen er besonders zustimmte, vor allem aber die, bei denen er noch “Gesprächsbedarf” hatte, hatte man das Gefühl, dies ist eine Beschwichtigungsveranstaltung. “Gesprächsbedarf haben”, das war natürlich eine Absage an diese Wünsche; und was Herr Bodemann alles gut fand, ist natürlich spätestens dann relativ, wenn die Verhandlungen mit möglichen Investoren laufen - man weiß jetzt schon, dass es dann heißt: Hach, das konnten wir leider nicht durchsetzen. Dennoch, warum sollte die Stadt die meisten dieser Ziele nicht auch befürworten?

Übrig bleibt seitens der BI, der Anwohner/innen-Initiative, eine skeptische Grundhaltung der Stadt gegenüber, okay, geschenkt, und die Forderungen nach einer Begrenzung der Geschosshöhe auf vier und der Anzahl der Wohnungen auf 1000.

Was sind das für Zahlen? In Limmer sind viele alte Häuser viergeschossig. Die Bauhöhe eines modernen Neubaus mit vier Geschossen ist jedoch weit geringer. Da ist immer gleich von “Hochhäusern” die Rede und als nächstes kommt “Wohnsilo” oder “Trabantenstadt”. Mal im Ernst, Leute, ihr glaubt doch nicht wirklich, dass irgendjemand eine anonyme Hochhaussiedlung bauen will? Was spricht dagegen, meinetwegen sechsgeschossig in Teilen der Wasserstadt zu bauen, wenn es gut entworfen ist, wenn es funktioniert, wirtschaftliche Vorteile bringt und die Dichte auf eine Weise erhöht, die zur Lebendigkeit, Vielfalt und Qualität des Stadtteils beiträgt? Es kann doch nicht sein, dass man da als erstes an die Verschattung denkt oder irrationale Angst vor sozialen Brennpunkten hat.

Die Zahl der Wohnungen sollte man auch nicht festnageln. Limmer ist derzeit meinem Gefühl nach untervölkert. Viele ehemalige kleine Läden aus Zeiten, als die Conti noch in Betrieb war, sind umgewandelt in Wohnungen oder Kitas. Bevor Rewe aufgemacht hat, hat man keinem neuen Geschäft Chancen ausgerechnet in Limmer, es sei denn, es ist nur hier, weil die Miete billig ist und es ein überregionales Einzugsgebiet hat wie dieses Klemptnerbedarfs-Ding bei der Sparkasse. Es gibt sonst vor allem Fuß- und Nagelpflege und Frisöre. Durch Rewe und Bizim gibt es einen positiven Trend, aber der fußt sicher auch auf der Spekulation einer künftigen Bevölkerungszunahme. Limmer besteht nicht nur aus dem gemütlichen idyllischen Dorf, sondern ist auch ein städtisches, ehemals industriell geprägtes Quartier.

Natürlich ist die Befürchtung, dass die Infrastruktur dem Bevökerungszuwachs nicht Stand hält, legitim. Hier ist die Stadt gefordert, sicher zu stellen, dass die Infrastruktur mit wächst. Insofern finde ich die Arbeit der Anwohner/innen gut. Jedoch liest sich das eher so: Weil die Infrastruktur nicht reicht, sollen nicht so viele Leute her ziehen. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn so viele Leute her ziehen, brauchen wir bessere Infrastruktur. Wer von uns Anwohner/innen hätte etwas gegen einen Fünfminutentakt der Stadtbahn?

Liebe Anwohner/innen, guckt Euch mal moderne neue Stadtteile an. Es kommt nicht an auf die Zahl der Wohnungen, der Geschosshöhe oder die Zahl der Personen, die nach Limmer ziehen. Es kommt auf das “wie” an, auf die Gestaltung, damit für uns in Limmer die Qualität stimmt. Das Ziel kann ja nicht sein, nur das dörfliche zu erhalten. Wer auf dem Dorf leben will, muss eben auch aufs Dorf ziehen - dann eben ohne urbane Vorteile wie den fußläufigen Vollsortimenter, Ärzte und kulturelle Einrichtungen.

Nicht zuletzt gibt es städtische und überregionale Aufgaben, die zu bewältigen sind. Dazu gehört auch, dafür zu sorgen, dass Wohnraum kein Luxus wird, dass bezahlbarer Raum für alle, die ihn brauchen, geschaffen wird. Und dass mit Flächen und Ressourcen sparsam umgegangen wird. Die Stadt ist hier auf einem guten Weg, da die furchtbare Vision eines “Gilde Carré II” abgewendet ist. Es ist wichtig, dass diese Zeile weiter verfolgt werden, auch wenn “wir Anwohner” eine Verschattung unseres Hinterhofs fürchten.

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